Als die Bewohner im Glarnerland und auf dem Talboden des Fätschbaches noch Heiden waren, hatten sie in der Nähe der Quellen dieses Baches ihre Opferstätte. Da kam das Christentum in unser Land, und das Opfern unterblieb lange Zeit. Aber vergessen konnten es die Leute nicht. Immer wieder erinnerten sie sich an die lustigen Tänze, Maskeraden und Gelage, die damit verbunden waren. Dann und wann drangen auch wieder heidnische Sitten bei den Bewohnern der Gegenden hervor. Des freute sich der Böse von Anfang an.
Aber es gab noch viele Ernstgesinnte, die ihm nicht gehorchten. Da beschloss er, diese von ihrem Glauben abwendig zu machen. Er liess deshalb den Leuten in die Ohren flüstern, sie sollten sich nur wieder öfter an der alten Opferstätte einfinden, wo es Lustiges zu sehen, zu hören und zu geniessen gäbe.
Wirklich fand sich an den bekannten Opfertagen immer eine grosse Schar Menschen an dem verabredeten Orte ein. Der Teufel, der in Menschengestalt auch gekommen war, fing an, den krassesten Aberglauben zu lehren. Und dann warf er seine bekannten Redensarten um sich: Es gäbe keinen Unterschied zwischen erlaubtem und unerlaubtem Genuss. Recht und Treue seien Hirngespinste, es wisse ja kein Mensch, was Wahrheit sei, und was sei es denn mit dem Wort «Nächstenliebe»? Man sei doch immerdar sich selbst der Nächste.
Er hiess die Zuhörer auch eine Beschwörungsformel sprechen, durch die sie in seinem Namen ihm Gehorsam geloben sollten. Eine Schar tat es; andern wurde es unheimlich zumute, und sie entfernten sich.
Kaum aber war die Beschwörung durch das Handgelübde vollzogen, als die nahe, hochragende Felswand zu wanken begann. Im Berge hörte man ein furchtbares Krachen. Dann stürzte die Felswand mit Donnergepolter auf die Schar Menschen nieder, die dem Bösen ihr Gelübde gegeben hatten. Die andern blieben am Rande der Steinwüste verschont und kamen mit Angst und Schrecken davon. Mit Schaudern erzählten sie von dem Erlebten.
Den Ort des Unglücks aber zeigt man heute noch. Seit jener Zeit nennt man ihn «Teufelsfriedhof».
Quelle: K. Freuler, H. Thürer, Glarner Sagen, Glarus 1953
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch