Der weisse und schwarze Bock

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

a) In Nenzlingen, Gemeinde Oberkirch, ist ein altes Bauernhaus. Ein Bauer, der dort wohnte, hiess einst an einem Sonntagmorgen alle Hausbewohner in die Kirche gehen. Der Ackerbube, der merkte, dass etwas vorgehen sollte, ging nicht, sondern versteckte sich auf die Heubühne. Als alle fort waren, kam der Bauer, nahm die Steinplatte vor der Stalltüre weg, und grub ein tiefes Loch. Hierauf stellte er einen Hafen in dasselbe und holte dann in einem „Fadenschinnerli" Geld und das dreimal. Allemal, wenn er weg war, deckte der Bauer den Hafen zu, schob den Stein wieder drauf und sagte: „Nun Teufel hüte mir das Geld bis ein 14-jähriger Knabe auf einem weissen Geissbock rückwärts darüber reitet!“ - Dem Ackerbuben wurde angst und er machte sich fort.

Der Bauer starb und nach seinem Tode kam der Bresten in den Stall und das Vieh fiel. Die Hausbesitzer wandten alles an, um den Geist zu bannen. Vergebens. Nach vielen Jahren kam nun der entlaufene Ackerbube als alter Mann zurück und bat um ein Nachtlager, das ihm gewährt wurde. Hier hörte er von den Unfällen im Stalle und sagte dann, er wisse, wie diesem abgeholfen werden könne und erzählte das, was er gesehen hatte. - Der Bauer holte in Sursee einen Kapuziner und suchte einen weissen Geissbock zu bekommen. Ein 14-jähriger Knabe setzte sich darauf und der Geissbock wurde rückwärts in den Stall geschoben. Sogleich erschien der Satan und zerriss das Tier in Stücke. Das Geld wurde enthoben und der Bresten wich.

 

b) Zu Meggen bei Luzern war ein reicher Bauer. Mit unbegreiflicher Kargheit oder Bosheit häufte er sein Geld zusammen, und schien sogar seine Kapitalien in Münzen umgewandelt zu haben. Einst kam ein Fremder und bat bei diesem Bauer um Nachtherberge, welche er ihm unbarmherzig versagte. Der Fremde wandte sich hierauf an den Sohn des Hauses; der klagte selbst über das harte und sonderbare Benehmen seines Vaters, das seit einiger Zeit sich an ihm zeigte. Er wies dem Fremden das Nachtlager im Stalle an. Als dieser sich daselbst zur Ruhe niedergelegt, hörte er jemanden unter Murren und lebhaftem Selbstgespräch in den Stall eintreten und erkannte den Bauer, der bald wieder fortging. Der Fremde stand auf und folgte unbemerkt demselben. Er sah ihn gegen das Wohnhaus schreiten und nicht lange ging `s, so kam selber wieder mit Schaufeln und Hacken, machte in der Nähe des Stalles mit aller Sorgfalt ein Loch unter einem Baume, worauf er zweimal in einem Sacke etwas aus dem Hause holte und in dieses Loch versenkte, dasselbe wieder zudeckte und zwar unter eigentümlichen Redeformeln, die der Fremde verstehen konnte. Tags darauf entfernte sich der Bettler. Nach ungefähr einem Jahr kehrte er wieder zurück und bat um Herberge. Jetzt war dieser reiche Bauer gestorben, und der Sohn beklagte sich bitter, wie sie nach des Vaters Tode nun in Armut geraten. Statt ein schönes Vermögen, wie sie geglaubt, hätten sie vom Vater nur Schulden geerbt; er begreife gar nicht, wie es so gekommen. Auf dieses hin eröffnete der Mann dem Sohne, was im vorigen Jahr hier vorgefallen und wovon er Zeuge gewesen. „Dein Vater hat unter diesem Baume dort zwei Säcke, die schwer beladen waren, in die Erde vergraben, und hierauf die verwünschenden Worte über dem zugedecktem Loche gesprochen: „Wer dieses hier verborgene Geld erhalten will, der muss auf einem kohlenschwarzen oder schneeweissen Ziegenbocke, der nur mehr drei Beine hat, dreimal um diesen Baum herumreiten“, worauf er wieder ins Haus zurückkehrte. Man ging nun ans Werk.

 

c) Ein reicher Älpler in der Gemeinde Marbach im Entlebuch war weit und breit wegen seines Geizes und seiner Hartherzigkeit verschrien. Alle Armen wies er mit harten Worten fort. Ein Bettlerbub, der einmal spät am Abende noch um Herberge flehte, liess sich nicht wegschicken, sondern schlich über den Einfahr hinauf in den Heuboden und legte sich zur Ruhe. Etwas vor Mitternacht wachte er durch ein Geräusch auf und sah durch das halbgeöffnete Tor, wie draussen am Einfahr der reiche Mann eine Grube austiefte, dann wegging und nach einiger Zeit mit einer schweren Geldlast wieder kam, um diese in das Loch zu legen. Dann ging er mit seinem Mäss weg, noch mehr zu holen. Der Bettlerbub nicht faul und holt von dem Haufen eine ordentliche Gauflete (Handvoll). Bald ächzte der Geizhals wieder schwerbeladen daher, stellte ab und entfernte sich wieder. Nochmals lief der Knabe schnell hinzu und sackte ein, was er konnte Er dachte, aus diesem Gelde was Rechtes zu erlernen und später das Geld, das er so nur als entlehnt und nutzbringend angelegt sich dachte, wieder zu erstatten. Jetzt erschien der Senn zum drittenmal mit Geld, vergrub und bedeckte dann alles zusammen und murmelte den Fluch: „Niemand soll den Schatz entheben können, ausser wer um diese Stunde - es war eben zwölf Uhr - auf einem weissen Geissbock rückwärts vom Heuboden aus über den Einfahr und das Loch hinweg reite.“ Das hörte der Bub, der am andern Morgen früh sich aus dem Staube machte, wirklich dann ein gutes Handwerk gründlich erlernte, in die Fremde ging, durch Fleiss und Sparsamkeit ein ordentliches Vermögen gewann und endlich nach vielen Jahren wieder nach Marbach zurückkam. Eine seiner ersten Fragen betraf die Familie des geizigen Älplers. Man erzählte ihm nur Trauriges. Der Reiche sei gestorben und seit dessen Tode herrsche nichts als Unglück dort in Haus und Stall. Aus der Bühne und am Einfahr gehe es allnächtlich gar entsetzlich her. Ein Sohn sei vom Heuboden herab zu tot gefallen. Ein zweiter aus Gram an der Auszehrung gestorben. Einzig die Tochter lebe noch und auch sie stehe aus Herzeleid dem Grabe nimmer ferne. Voll Teilnahme ging der Marbacher hinauf zur selben Alp, wo er die Tochter aufsuchte, sich von ihr die Geschichten nochmal erzählen liess und sie tröstete. Wenn sie ihn heiraten möge, wolle er dem Spuck abhelfen und einen ungemein grossen Schatz entheben. Auf ihr Jawort teilte er der Jungfrau alles mit, verschaffte sich alsdann einen weissen Geissbock und tat alles genau wie er sollte. Als er über die Stelle ritt, wo das Geld vergraben lag, öffnete sich der Boden, der blanke Reichtum lag offen da, eine weisse Taube schwang sich empor und eine Stimme liess sich vernehmen, die ihm innig dankte für die Erlösung. Von da an lebte wieder Glück und Friede in der neugegründeten Familie.

 

Quelle: Alois Lütolf, Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, Luzern 1865. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch.

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