Wegerbaschi

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Der Wegerbaschi stammte aus Geschinen und war ein Riese an Gestalt und Kraft. Einst ging er nach Sitten auf den Markt. Dort trug er zum Spass die schwerste Kuh auf den Armen durch die Stadt, als wäre es ein kleines, leichtes Kälblein. Alle staunten. Das Ereignis kam auch dem Bischof zu Ohren, und er liess den Wegerbaschi rufen, er möchte doch grad gern sein stärkstes Diözesankind sehen. Weil der Bischof Freude an ihm empfand, gestattete er, als Erinnerung einen Sack voll Korn aus seinen Kästen nach Hause zu nehmen. Baschi war damit einverstanden, nur der Verwalter schaute gross, als Baschi mit einem mächtigen Strohsack, einer ,Bissagga‘, erschien, um das versprochene Korn zu fassen. Er meldete es dem Bischof. Dieser empfand wieder Freude daran und liess den Strohsack mit Korn füllen. Baschi solle es aber bis nach Hause tragen, ohne einmal zu ruhen. Zur Kontrolle schickte der gnädige Herr einen Knecht mit. Beide schritten tapfer talaufwärts, bis der Knecht kaum mehr Schritt halten konnte, und in Mörel war er todmüde. Dort hingen aber reife Kirschen an einem Baum. Baschi gelüstete es danach und mit einem kräftigen Ruck samt Last erwischte er den Ast, so dass er und das Knechtlein sich daran gütlich tun konnten. Dem Begleiter war diese neue Kraftprobe doch zu viel. Er verabschiedete sich und kehrte nach Sitten zurück mit dem Bericht, für Baschi sei diese Last ein Spiel.

Nach einer Woche soll Baschi dem Bischof ein tüchtiges Roggenbrot, aus diesem Korn gebacken, nach Sitten gesandt haben.

Baschi hatte auch eine Liebste, Sänza hiess sie und wohnte in Naters. Beide hatten einander famos gerne und wollten bald heiraten.

Einst war Baschi auf dem Heimweg und machte seiner Liebsten bei dieser Gelegenheit einen Besuch. Sie war gerade am Hirten und bot ihm brauchgemäss den "Kalbertrunk" an. So reichte sie ihm eine volle Melchter kuhwarme Milch. Baschi wird wohl ziemlich Durst gehabt haben, denn er trank diese Milch grad aus. Dessen erschrak nun die Liebste derart, dass sie von ihm nichts mehr wissen wollte; er esse und trinke ja für sieben, ihn vermöge sie ja nicht zu sättigen.

Das gefiel nun freilich dem Baschi auch nicht, und aus Rache rollte er der Sänza einen solchen Stein in den Stall, dass ihrer sieben Männer genug hatten, ihn wieder zu entfernen.

So musste Baschi seiner Riesenkraft wegen ledig bleiben.

Baschi war auch Säumer. Häufig verkehrte er in Meiringen und war dort wohlbekannt. Ein paar Berner wollten ihm eines Tages einen Streich spielen. Zwischen Meiringen und Innertkirchen fällten sie eine zünftige Tanne in den Saumweg und versteckten sich in der Nähe.

Richtig kam Baschi vorbei, hielt an, stutzte etwas und brummte dann: «Oh, ihr werdet mir nicht zu schlau!» Mit den Händen riss er die grössten Äste weg, packte sein Maultier samt der Last und lüpfte es über den Baum. Die staunenden Meiringer hatten nun das Vergnügen, die Tanne aus dem Wege zu räumen, und Baschi lachte sich in die Faust.

Der Grimselwirt war etwas grosssprecherisch. Vor dem Hospiz hatte er stets einen mächtigen, bösen Hund. Eines Tages meinte er nun zu Baschi und wies auf das Tier: «Dem da wärest du doch nicht Meister!» Baschi antwortete kalt, das könnte man ja probieren. Er solle ihn nur loslassen. Baschi stellte sich an eine Mauer; der Wirt hetzte den Hund auf ihn. Baschi packte ihn kurzerhand am Unter- und Oberkiefer und riss ihn da grad in zwei Stücke. Diese warf er dem Wirte vor die Füsse und spottete: «So, da hescht ds Blagg!»

Das war auch auf dem Grimselpass. Baschi war mit einem Saumtier auf dem Heimweg. Da begegnete ihm an einer engen Stelle ein Berner Säumer. Der Weg war so schmal, dass sie nicht aneinander vorbeikommen konnten. Der Berner wollte nicht zurückweichen und Baschi natürlich auch nicht. Nach einem kurzen Wortgefecht packte Baschi das Maultier des Berners und lüpfte es auf ein Dach in der Nähe. Baschi konnte nun vorbeiziehen und der andere musste schauen, wie er sein Tier wieder auf den Weg brachte.

Als Baschi auf dem Sterbebett lag, besuchten ihn zwei Neffen, die in Frankreich Offiziere waren. Sie bildeten sich auf ihre Grösse und Kraft auch etwas ein. Es waren tatsächlich kräftige Männer. Baschi begrüsste sie, packte sie jeden an einer Hand und schüttelte sie so fest, dass beiden das Blut unter den Fingernägeln herausspritzte. Dabei sagte Baschi: «Wa mal es bitzji Chraft ischt, da plibsch!» Bei seiner Beerdigung in Münster massen die Schulknaben die Länge des Sarges. Er mass neun Fuss.

GESCHINEN

Quelle: Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Josef Guntern, Olten 1963, © Erbengemeinschaft Josef Guntern.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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