Südlich von Rechthalten dehnte sich einst ein weiter Sumpf aus. Durch diesen sah man oft zur Nachtzeit ein helles Licht schweben. Hinten im Holzeggen flammte es plötzlich auf, wanderte langsam, in Bogen auf- und abschwingend, der ganzen Länge nach durch das Moos und erlosch endlich in der Gegend von Kinkenrain. Manchmal bog es von seinem gewöhnlichen Wege ab und schlug die Richtung nach der Farnera ein, wo es am Waldrande verschwand. Diese Erscheinung wurde das Mooslicht genannt. Man glaubte, die wandernde Flamme sei ein Geist, der für eine Freveltat büssen müsse.
Ein armer Familienvater holte einst in der Nacht im Moosholz droben eine grosse Bürde Holz. Mit dieser schleppte er sich keuchend durch das Moos. Auf einmal kam ihm das Lichtlein langsam entgegen. Je näher es rückte, umso grösser und heller wurde es. Da packte ihn die Angst. Schnell wollte er die Bürde fester fassen und quer über das Moos eilen, um dem leuchtenden Geist nicht zu begegnen. Aber die Last entglitt seinen Händen und polterte zu Boden. Noch bevor er sie wieder auf die Schultern schwingen konnte, war die Flamme ganz nahe an ihn herangerückt. Er vermochte ihr nicht mehr zu entfliehen. Was machen? In seiner Aufregung begann der Dieb mit lauter Stimme zu fluchen. Und siehe, - das Licht stand einen Augenblick still, und eine klagende Stimme liess sich vernehmen: „Ach, hättest du doch ein Vaterunser für mich gebetet, so wäre ich jetzt erlöst. Nun aber muss ich wieder wandern und büssen viele Jahre.“ - Dann schwebte das Licht langsam zurück bis in den Holzeggen, wo es erlosch.
Es ist eine alte Meinung des Volkes, dass Geister und Gespenstern fliehen, wenn man flucht. Aber sie müssen dann länger auf Erlösung warten.
Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch