In der grauen Heidenzeit war in Ryken, zwischen dem Zofinger Boowald und der Aare (genauer wird die Lokalität nicht bezeichnet) eine Salzquelle. Diese Quelle war der Wohnsitz von Zwergen, die man „Heidemanndli“ nannte. Es war ein gutes Volk, das niemandem etwas zu Leide tat; man mochte sie in der ganzen Gegend gar wohl und hatte sie gern, denn sie halfen den Leuten viel in Rat und Tat.
Wenn der Bauer Garben band, so kamen des Nachts die Heidenmannli und trugen sie ihm in die Scheune. So brachten sie Heu und Feldfrüchte ebenfalls ein. Auch wussten sie viel zu raten, was und wo man pflanzen solle, wann ein gutes Zeichen sei, Flachs und Kraut zu säen, wann man Jauche führen und das Land beschütten müsse u. dgl. So traf einmal ein solches Heidemannli einen Bauern an, der mit seinen Feldarbeiten noch sehr im Rückstand war. „gang numme, liebe Gvatter!" sagte es zu ihm, „und säj hüt rüebsôme, 's Zeichen ist guet, es wird scho öbbis gä!“ Der Bauer kannte das Heidemannli wohl, ging schnell heim und besäte einen grossen Acker mit Rübsamen. Es war schon spät im Herbst und die Leute lachten ihn aus. Allein obgleich nur noch fünf Wochen Zeit für Feld- und Wieswachs war, gedieh der Samen doch, und der Bauer bekam diesmal die schönsten Rüben in der Umgegend.
Daneben verstanden diese Heidemannli viele Hexenkünste. So konnten sie in einer Strohwelle ein Feuer anzünden und darinn kochen. Des Nachts giengen sie dann schaarenweise in die Häuser, und da brauchten sie nur mit einem Hammer dreimal an die Türen oder Schlösser zu klopfen, und diese sprangen alle auf. Dann gingen sie in die Küche und fingen an zu kochen und zu braten. Was sie verbrauchten und assen, war am Morgen nur um so reichlicher da. Mit dem Fleisch machten sie's ebenso; sie gingen nur in den Stall, stachen den Kühen und Ochsen ein schönes Stück heraus und kochten und assen es. Am Morgen war alles wieder verwachsen und solche Kühe wurden die fettesten und schönsten im ganzen Lande. So nahmen sie alles, was sie brauchten, nur das Salz brachten sie aus ihrer Quelle mit.
Die Bauern wussten zwar wohl um diese nächtlichen Besuche, allein sie konnten ihnen nur lieb sein, da ja in solchen Häusern immer Glück und Wohlstand herrscht, wo diese Erdmannli hinkommen. Einmal waren sie auch in später Nacht in einem Bauernhause, kochten und brieten und liessen sich's wohl sein. Da kam der Stallknecht, welcher zufällig fort gewesen war, heim, er riecht die aus der Küche herziehenden Bratendämpfe, geht hinein und betrachtet eine Weile das Treiben der fremden Gäste. Dann wässert ihm das Maul nach diesen Speisen und gierig nimmt er ein grosses Stück Fleisch vom Feuer weg. Die Heidenmanndli bitten und warnen, sie drohen und eifern, aber vergebens, er lässt sich nicht wehren, und verschlingt's. Nun verschwinden nicht nur die Männlein plötzlich, sondern es fehlt am Morgen alles, was sie in der Nacht angebraucht hatten; in der Küche das Schmalz, im Schrank Brot und Mehl, im Stalle sogar der schönsten Kuh hinten ein grosses Stück Fleisch, gerade ein solches Stück, wie das, welches der gierige Knecht gestern hinabgegessen hat.
Seitdem war aus dem ganzen Hause Glück und Segen gewichen, und die Männlein erschienen nicht mehr. Sogar die Salzquelle, die sonst ihren Ausfluss in der Aare hatte, war von nun an versiegt. Die Bauern hatten nun weder für sich, noch für ihr Vieh mehr Salz und mussten es bei der Obrigkeit in Bern um teures Geld kaufen.
Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch