Wie es scheint, waren doch die Erdmännchen auch nicht in allen Künsten und Wissenschaften erfahren, sondern in einzelnen Sachen bedurften sie die Hülfe der Menschen. Dieses war namentlich mit der Geburtshülfe der Fall. So wurde auch ein Mal eine in diesem Fache berühmte Frau, ihres Zeichens also eine Hebamme, zu der Frau eines Erdmännchens berufen, um ihr Hülfe zu leisten. Nach glücklich vollbrachtem Werke gab ihr der glückliche Gatte ihre Schürze voll Kohlen, mit dem Bedeuten, diese sorgfältig heimzutragen. Die „weise Frau" mochte wohl für ihre wichtige Hülfe eine bessere Belohnung erwartet haben als nur Kohlen, deren sie ja täglich genug selbst fabrizierte, und warf beim Heimgehen dieselben Hand voll um Hand voll geringschätzig weg, ohne auf das feine warnende Stimmchen zu hören, das ihr bei jeder Hand voll zurief: „Je mehr ass de zattest (zerstreust) je weniger de hattest!" Als sie unwillig heim kam und ihre Schürze ablegen wollte, fiel ein helltönender Gegenstand auf den Boden. Verwundert hob sie ihn auf und siehe, ein blinkendes Goldstück lachte ihr entgegen. Jetzt, freilich zu spät, glaubte sie die Warnung des Erdmännchens zu verstehen. Sie hatte leichtsinnig die allbekannte Regel vergessen , dass man auch die geringste Gabe der Erdmännchen nicht verschmähen dürfe. In strafbarem Unmuthe hatte sie die reiche Gabe der guten Leutchen weggeworfen und sich selber grausam bestraft. Freilich ging sie schnell den gleichen Weg zurück, um die verachtete, nun so werthe Gabe zu suchen. Allein ihre Bemühungen waren vergebens, es waren weder Kohlen noch Goldstücke zu finden. Merke: „Wer Geringes nicht schätzt, ist Vieles nicht werth."
Quelle: J. J. Jenzer, Heimathkunde des Amtes Schwarzenburg, Bern, 1869.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www. maerchen.ch