Der Milchisbach-Hund

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Am rechten Ufer des Brienzersees sind zwei Orte, fast zwo Stunden von einander entfernt, der eine ob Ringgenberg, der andere unter Brienz. Zwischen diesen beiden Plätzen zeigt sich ein Hund, der etwa 4 Fuss hoch sein soll. Er ist unter dem Namen Milchisbachhund bekannt. Wenn er in ein Haus geht, so zittern alle Fenster, und das ganze Haus scheint sich zu bewegen.

Im Sommer 1840 trat er im Dorfe Ebligen, an einem hellen Sonntag Morgen, in ein Haus ein, und stellte sich vor das Bett eines Kranken. Dieser, ein beherzter Mann von 32 Jahren, hiess ihn hinausgehen. Das Ungeheuer schüttelte sich, dass das ganze Haus einzustürzen drohte, und unter furchtbarem Klirren schlossen sich die Türen wieder hinter ihm zu. Sein Erscheinen ist an diesem Orte so oft, dass man seiner fast nicht mehr achtet.

Zwei furchtlose Männer gingen eines Abends von Oberried nach Ebligen. Auf einmal stand derselbe Hund vor ihnen in der Strasse, kehrte den Kopf gegen sie, und machte alle ihre Bewegungen mit. Als alle Versuche vergebens waren neben ihm vorbei zu kommen, kehrten sie um und liessen sich über den See fahren.

Einem Bauer zu Niederried stellte er sich immer auf den Weg, wenn er Abends zu seinem Nachbar ging. Dieser fällte einmal eine junge Buche, und als der Hund wiederkam, ergriff er die Buche am obern Ende, und traf den Hund an die Seite, aber es war als hätte er in einen Schatten geschlagen. Er wurde noch am gleichen Abend krank, und konnte nur mit Not vom Tode gerettet werden. Frühe und späte Viehhirten sehen ihn oft in einem einzigen Winter etliche mal.

Alte Leute erzählen, es sei früher eine Weibsperson wegen Unsittlichkeit gerichtet worden. Kurz vor dem Tode soll sie gesagt haben, sie wolle zwischen obigen Punkten eine Erscheinung hinterlassen, die jeden nächtlichen Herumschwärmer von bösen Verirrungen zurückschrecken möge.

Theodor Vernaleken: Alpensagen - Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

 

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