Noch nicht vor langem kamen zwei Schwestern, die eine von Bellikon aus, die andere von Spreitenbach, zu ihrer dritten Schwester nach Baldingen auf Besuch. Beide hatten abgeredet, sich in Killwangen zu treffen und von da aus zusammen nach Baldingen zu gehen. Auf der letzten Wegstrecke sahen sie Elstern unter immerwährendem Gekreische vor sich herfliegen. Dieselben waren bis Baldingen mit gezogen und schwärmten ihnen auch dort noch nach, als man nachher ins Freie gieng und mit dem Schwager die Felder beschaute. Deswegen vermuthete dieser auch gleich nichts Gutes. Er schärfte den beiden, da sie ihn nach zwei Tagen wieder verliessen, besonders ein, auf ihrem Heimwege ja recht vorsichtig zu sein. In Killwangen trennten sich die zwei Schwestern wieder, die eine, um gegen Spreitenbach zu, und die andere, um auf ihrem gewohnten Wege nach Bellikon heimzugehen. Jene kam glücklich nach Hause, an dieser aber erfüllte sich jetzt das Missgeschick, das durch die Galgenvögel ihnen angesungen war. Als sie nämlich in den Remetschwiler Weidgang kam, sah sie zwischen dem Holz und den Gemeindematten ein schönes kleines Häschen vor ihr herspringen. „Hätt' ich doch ein Flintchen!“ sagte sie bei sich selbst, und ergötzte sich herzlich darüber, dass das Thier so artig ihr im Wege voraushüpfte. Als sie aber an das Kreuzwegli kam, rannte der Hase mit einem Male in der Richtung nach Remetschwil zurück. Die Frau wendete hier gleichfalls um, ohne zu bedenken, was und warum sie's that, und lief nun anstatt den Bellikoner Weg, denjenigen nach Killwangen zurück, immer des sichern Glaubens, in der nächsten Viertelstunde an ihr Wohnhaus kommen zu müssen. Nun stieg sie aber mehrere Stunden durch Busch und Strauch, gerieth an abschüssige steile Orte und war gänzlich abgemüdet und verirrt, als sie endlich in Killwangen an ein Haus gelangte, wo zufällig noch einige Bursche zu Licht waren. Sie war so ganz der Meinung, sie stehe hier am eignen Wohnhause, dass sie den ersten, der ihr die Thüre öffnete, mit Staunen über sein Hierherkommen befragte und ob denn ihr Mann Hans nicht daheim sei. Nur schwer konnte man sie von ihrem Irrthum überzeugen und sie bereden, sich nun von den Burschen heimführen zu lassen.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.