Wo heute das Dorf Fischbach ist, waren vor etlichen hundert Jahren nur drei Brüder, die Seiler, haushäblich angesessen. Hans und Jakob wohnten sich zunächst; Joachim, der dritte, etwas entfernter von ihnen in der Mühlimatte, da wo man es heute zum Hohen Kreuz nennt. So sparsam die beiden ersten lebten, so gross und übermütig tat Joachim, der Älteste. Er mochte nicht bauern, errichtete eine Schenke und tat sich in seiner Einbildung gar viel daraus zu gut, dass ihm die Bremgartner die Ehre erwiesen und fleissig seinem Weine zusprachen. Da schwatzte er dann in seinem Herrendünkel geringschätzig vom Landgewerbe und vermass sich einstens vor den Gästen, dass ihm sein Bauernhof samt Allmend und Waldung feil sei an jeden Städter, der ihm dafür binnen drei Stunden einen Metzen Zürcher Angster auszahlen könnte. So hiess man Silberpfenninge, auf denen die abgeschlagenen Häupter der Zürcher Stadtpatrone Felix und Regula geprägt waren. Während dieses Gespräches zechten die Bremgartner Ratsherren tüchtig fort, bis dem trunkenen Wirt die Augen zufielen. Dann sendeten sie eilends einen Reiter nach Zürich, der ihnen aus der dortigen Münzstätte den Scheffel Angster herbeibringen sollte und stellten zugleich den Uhrenzeiger in der Stube zurück. Als indessen Joachim wieder erwachte und zu besserer Besinnung gekommen war, gereute ihn sein Wort, und er hätte den übereilten Handel gerne rückgängig gemacht; allein nun trat der rückkehrende Bote in die Wirtsstube und leerte den bedungenen Scheffel voll Angster vor ihm aus. Da es nun zu spät war, so erbat er sich zuletzt noch das Recht, jederzeit nur so viel Holz und so oft in dem verkauften Walde fällen zu dürfen, als die drei Brüder inskünftig für ihre vier Häuser und zwei Scheunen in Fischbach brauchen würden, falls sie diese durch Brand verlieren oder wegen Baufälligkeit sonst einmal abbrechen sollten. Die schlauen Ratsherren bewilligten dieses unter der Bedingung, dass diese Häuser stets auf der alten Baustelle wieder aufgeführt werden müssten. Damit war für Bremgarten ein zweifacher Vorteil gewonnen. Denn da die verkaufte Waldung zwischen den drei Brüdern bis dahin unverteilt gewesen war, so war nun auch der Waldanteil der zwei andern mit an die Stadt verwettet; zugleich aber waren auch sämtliche Nachkommen der drei Brüder von der ausbedungenen Waldnutzung ausgeschlossen, sobald sie einmal in jenen vier Wohnhäusern nicht mehr Raum fanden und auf andern Stellen ihres eingebüssten Erbes sich anbauen mussten. Bald geschah es auch so. Das Geschlecht der Seiler in Fischbach macht heute zwei Dritteile der dortigen Bevölkerung aus und hat für ihre stärker angewachsene Zahl ausser zwei einzigen Jucharten Gemeindewaldung keine andere Vergünstigung, als eben das Anrecht an jenes Bauholz, das ihnen Bremgarten zu den vier Häusern und zwei Scheunen liefern muss, so lange dieselben nach Beding an der alten Stelle und innerhalb desselben Raumes erneuert werden. Die Häuser stehen noch und eine Urkunde über den Vertrag ist im Besitz des Seilerschen Geschlechtes. Vor einiger Zeit wollte sich Bremgarten auch noch von dieser letzten Verpflichtung losmachen und erbot sich, gegen Herausgabe dieser Urkunde, dem Dorf einen Wald von etwa vierzig Jucharten abzutreten. So lockend dies Geschenk für ein holzarmes Dorf war, so liessen sich die Bauern doch nicht zum dritten Mal fangen. Man schlug den Wald aus, denn er ist gänzlich am Wasser gelegen und wird von dem wilden Reussflusse alljährlich mehr unterfressen und hinweggeführt. Die Stadt soll dann hierüber sogar einen Prozess versucht haben, von den Gerichten aber abgewiesen worden sein.
Der Bruder Joachim ward seines zu späten Verdrusses nicht mehr in der Heimat Herr, er wanderte nach St. Gallen aus und starb als Mönch im dortigen Kloster. In der Nähe seiner alten Wohnstatt, die nun eingegangen ist, liegt an der Landstrasse der sogenannte Herrenbrunnen. Dort zeigen sich noch die Schatten jener schlauen Ratsherren als murmelnde Gespenster. Seit dem Jahre 1712 hat sich ihre Gesellschaft weiter vermehrt. Damals lieferten sich auf dieser Stelle die fünf katholischen Kantone und die Berner die Staudenschlacht, im Spotte also von den Reformieren genannt, weil der Anführer der Katholiken, Oberst Sonnenberg, 500 Freiämtler vor dem Gefechte längs einem Waldsaume so versteckt hatte, dass die nachrückenden Grenadiere und Dragoner der Berner in ein heftiges Kreuzfeuer gerieten. Gleichwohl wurden diese nach zweistündiger Anstrengung Sieger. Die geschlagenen Katholiken hielten deshalb ihren Anführer Sonnenberg für einen Verräter, und sein eigener Sohn soll ihn während des Treffens vom Gaul geschossen haben. Vom Wasser dieses hübsch gelegenen steinernen Brunnens scheuen sich die Kinder zu trinken, sie sagen, es laufe über lauter Totenschädel und Wildenten.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch