In längst entschwundenen Zeiten führte der Landvogt Tribolet auf dem Schlosse zu Trachselwald ein hartes Regiment. Die Bauern, die ihm nicht zur rechten Zeit ihre Abgaben entrichteten, liess er seine Macht bitter fühlen.
Einst lebte in der Nähe des Schlosses auf einem kleinen Heimwesen ein Bauer, dem der Landvogt übel gesinnt war. Als er ihm einst die Gefolgschaft auf die Jagd verweigerte, da er dringend anderes zu tun gehabt hätte, erschlug der wutentbrannte Landvogt den wehrlosen Mann.
Aber die ruchlose Tat blieb nicht ungerächt. Im Grabe findet der böse Schlossherr keine Ruhe. Jeden Herbst, zur Zeit der Jagd, wenn sich der Todestag des Bauern jährt, entsteigt der Tyrann seiner Gruft und hält im Klösterli, so heisst das Haus, Einkehr.
Zur Geisterstunde pocht es an das Fenster. Von unsichtbarer Hand werden Fenster und Türe geöffnet. Dann vernimmt man von der Treppe her, die ins Gaden führt, polternde und rasselnde Tritte. Wenige Augenblicke verstreichen, und dasselbe Geräusch ist treppab wieder vernehmbar. Wieder öffnen sich Türe und Fenster, und der Schlossherr verschwindet ungesehen.
Während er im Gaden die Stelle aufsucht, wohin sich der Bauer einst vor ihm geflüchtet und wo er ihn erschlug, heulen vor dem Hause die Schlosshunde, die ungeduldig auf ihren Herrn warten.
Lärmend und heulend verschwindet der Schlossherr mit seinem Gefolge den steilen Schlossweg hinan und zieht sich wieder für ein ganzes Jahr in die Gemächer seiner Burg zurück.
Emmentaler Sagen, Hermann Wahlen, 1962 Gute Schriften Bern
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.