In einer zugerischen Gemeinde hatte einst ein landgieriger Bauer zum Nachteil seines Nachbarn die Matten vergrössert. Während einer stockdunklen Nacht rückte er nämlich den Grenzzaun um ein ganzes Klafter in das nachbarliche Landgut hinein. Der betrogene Nachbar merkte des andern Tages sofort die betrügerische Sache, musste aber Stillschweigen bewahren, da er gegen den Landschelm keinen Beweis erbringen konnte.
Jahr um Jahr verging, ohne dass der Betrug aufgedeckt wurde, da warf eine bitterböse Krankheit urplötzlich den gewissenlosen Bauern aufs harte Sterbebett. Wie ein riesiger Alp lag das weggestohlene Land dem Todkranken auf der Brust, schwer ging sein röchelnder Atem; aber er konnte und konnte nicht sterben, trotz des tagelangen Todeskampfes. Von seinen aufgeschwollenen Lippen kam immer und immer wieder das eine Wort: "Der Hag, der Hag!" Diese stöhnenden Worte hörten auch die vor Jahren geschädigten Nachbarn, die nach ländlicher Sitte betend im Sterbezimmer knieten, um der sterbenden Seele den erlösenden Weg zu erleichtern.
Als das Stöhnen und Klagen nicht aufhören wollte, gingen sie hinaus aufs Land, rissen den Hagzaun aus und setzten ihn genau ein Klafter weiter hinaus, an seinen altgewohnten Platz. Kaum war der erste Zaunsparren in die richtige March geschlagen, starb der Bauer und wurde von seinem tagelangen Todeskampf erlöst.
Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 69
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.