Vor etwa 90 – 100 Jahren kam viele Jahre hindurch jeden Frühling ein Wybervölchli durch Wassen und Geschehen hinauf, das sagte, es sei von Unterwalden. Es trug ein selbstgewobenes, gestreiftes Röcklein mit Gstältli, wie es früher Mode war, ein altertümliches Häublein auf dem Kopfe, an der Hand einen Stock aus einem alten Regenschirm, über die Achsel ein altväterisches, gestreiftes Dach gebunden. Es kehrte nirgends ein; wen es aber auf der Strasse antraf, den fragte es nach Lehkühen, und trotzdem nahm es nie welche mit. Es wanderte nach Ursern und über den St. Gotthard. Kam es früh, so gab es einen frühen Lanxi (Lenz), kam es spät, einen späten Lanxi. Niemand sah es zurückkehren bis im Herbst. Da kam wieder das haarfadengleiche Wybervölchli im nämlichen Gewand, mit dem nämlichen Stock und Dach vom Gotthard her durch das obere Reusstal herunter und fragte die Leute, denen es auf der Strasse begegnete, nach Winterlehkühen, ohne aber solche mitzunehmen. Kam es spät, gab's einen späten Winter, kam es früh, einen frühen Winter. Nirgends kehrte es ein bis zum Güetligaden im Wassnerwald. Da hat man beobachtet, wie es hineinging, aber niemand hat es gesehen herauskommen, und niemand, der es drinnen gesucht, hat es je gefunden; da ist es wie verschwunden. All die vielen Jahre hindurch trug es immer das nämliche Röcklein und hatte das nämliche Dach auf die haartupfnämliche Art über die Achsel gebunden und trug den nämlichen Stock in der Hand. Man glaubte, es sei eine alte Hexe. – »Wo-n-ich nu z'Schüel g'gangä bi, ach, da hennd dië Lytt Sachä v'rzellt und 'gläubt! Ma chas-si gar nimmä-n-er-chännä gägä friëhner; dië Lytt hennd etz ganz än-andärä Gläubä.«
Anton Wipfli, 68 J. alt, Wattingen
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.