Vom Schluuchebrünneli
Wenn man vom heimeligen Weinländer Dorfe Marthalen auf der grünen Hochfläche der Lauberen südwärts in der Richtung gegen Alten der Geländekante folgt, wo die bewaldete Lauberenhalde sich gegen das weitgedehnte Niederholz senkt, gelangt man zu einem schattigen Tälchen oder Einschnitt im Abhang. In der Nähe zog sich der uralte Kirchweg von Andelfingen her nach Rheinau die Halde hinab. Dieser Geländeeeinschnitt heisst „Schluuche“ (= Schlucht), und in geringer Entfernung von seinem oberen Ende plätscherte früher mitten Im Wiesengelände ein Feldbrünnlein, auf der Karte „Kleinrietbrunnen“, im Volke aber das „Schluuchebrünnili“ genannt.
Früher kam, wie man erzählte, aus der Schlucht herauf ein altes, verhutzeltes Fraueli, in der landesüblichen „Stuuche“, das „Schluuchefräuli“. Es erschreckte die Kinder, besonders wenn sie den Brunnen trübten. Daher fürchteten sich die Kinder der in der Nähe arbeitenden Bauern, allein am Brunnen Wasser zu holen.
Ferner wurde dort nachts ein Reiter ohne Kopf gesehen. Aus diesem Grunde wollte beim Zunachten niemand mehr sich in der Gegend aufhalten. Auch wird erzählt, ein Einsiedler habe sich früher in der Schluuche aufgehalten. In den dreissiger Jahren, also kurz vor dem zweiten Weltkrieg, wurde das Brünnlein auf dem freien Felde beseitigt; das Wasser ist nun in einer Brunnenstube am oberen Eingang der Schluuche gefasst und etwas weiter unten in dieser fliesst es aus einem Rohr in einen hölzernen Brunnentrog. Es ist von besonderer Frische und angenehmer Kühle.
Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Winterthur und Weinland
Nach P. Corrodi, Zürcher Bauer, 25. 7. 1941.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.