Zur Zeit lebten drei berühmte Ärzte, Doktor Tuet in Glarus, Doktor Kohler in Schwyz und Doktor Füster in Uri. Der letztere hatte es mit dem bösen Feind. Dem hatte er seine Seele verschrieben, wenn er ihm sein Leben lang diene und ihm Geld genug verschaffe. Und er hatte da wirklich einen guten Knecht, der ihm Geld in Massen herbeischaffte. Mit dem Gelde tat aber Füster viel Gutes und gab reichlich Almosen. Die Armen behandelte und kurierte er unentgeltlich.
Ehe der Teufel seinen Dienst antrat, machte der Teufel zwei Ausnahmen, nämlich schwarze Wolle weisszuwaschen und mit Eisstangen Feuer anzumachen; das seien auch ihm unmögliche Dinge, das wolle er zum voraus gesagt haben. Eiszapfen könne er zwar rauchen, aber nicht brennen machen.
Doktor Füster machte schwere Ansprüche an seinen Diener und stellte sonderbare Anforderungen an dessen übermenschliches Können. Einst musste er vor dem auf einem Pferde reitenden Meister die Strasse mit Fünflibern b'setzen und die Fünfliber hinter dem Pferde wieder sofort auflesen, so dass die Strasse immer nur gerade auf Pferdeslänge bepflastert war. Auch ein Kräutlein wider den Tod erfand der Teufel und brachte es seinem Herrn; doch durfte es dieser nur für sich allein brauchen und keinem Seelenmenschen zeigen. Füster pflanzte es in seinen Garten, wo er auch sonst noch viele heilkräftige Kräuter pflegte.
Der Wunderdoktor hatte ein einziges Kind, einen prächtigen Knaben. Diesen hatte er im Verdacht, dass er das Kräutlein wider den Tod kenne. Eines Tages stellte er ihn deswegen zur Rede, und der Knabe gestand, von zwei Kräutern des Gartens sei's das eine; welches von beiden, wisse er nicht. »So zeige es mir!« befahl Füster. Das erste, das ihm der Knabe zeigte, war's nicht, aber das zweite war das rechte. Da tötete er ihn auf der Stelle.
Aber auch Dr. Füster wurde krank und auf einmal so schwach, dass er das begehrte Kräutlein nicht mehr selber holen konnte. Eine andere Person schicken konnte er nicht. Es kamen seine Freunde herbei und redeten ihm zu, er solle sich bekehren. Auch der Geistliche erschien und sprach von Beicht und Busse. Allein der Sünder wollte von solchen Dingen nichts wissen, obwohl ihm der Tod immer näher zu Leibe rückte. Da flog ein Engel Gottes heran mit einem brennenden Wachslichtlein in den Händen, die das Flämmchen sorgsam vor Windeshauch schützten, und sagte zu Füster, indem er ihn milde anblickte:
Solang diese Kerze brinnt,
Hat dir Gott die Gnad erzind't.
So grosse Gnadenerweise gewährte Gott dem grossen Sünder um des Guten willen, das er den Armen getan. Aber er wies sie zurück. Noch einmal raffte er seine letzten Kräfte zusammen, richtete sich mühsam im Bette auf und blies das Gnadenlichtlein aus. Da sank er tot ins Kissen zurück. Hätte er nicht sein eigenes Kind getötet, wer weiss, ob er sich nicht noch bekehrt hätte. – »Das hed alligs der Vatter verzellt; der hed äs Büech gha und hed vill dri gläsä.«
Frau Arnold-Gisler, von Spiringen, 50 J. alt
Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.