Zwischen den Leuten von Amden und Stein herrschte jahrelang ein erbitterter Streit wegen der Grenze am Gulmen. Die Hirten von hüben und drüben, wie auch die Jäger und Beerensammler lagen sich oft in den Haaren, und mancher der Streitenden trug sogar einen blutenden Kopf mit nach Hause. Alle gütlichen Verhandlungen der Gemeindehäupter führten zu keinem Resultat. Endlich kam man überein, ein Grenzlauf sollte den Handel zum Austrag bringen. An einem bestimmten Tag sollten die Läufer zu gleicher Zeit von Amden und Stein abgehen, und da, wo sie zusammentreffen würden, sollte die Grenze gesetzt werden.
Der Amdener aber wurde eidbrüchig, ging eine halbe Stunde zu früh ab und erreichte darum die Wasserscheide zuerst. Durch einen "höllischen" Jauchzer verkündete er den errungenen Sieg und lief dann weiter talwärts. Am rauschenden Dürrenbach stiessen die beiden Läufer zusammen. Dem Steiner blieb der Betrug zwar nicht verborgen; er erhob heftige Einsprache. Doch der Gegner beteuerte, er stehe auf Amdener Grund und Boden; er hatte nämlich betrügerischerweise Erde aus seinem Garten in die Schuhe geschüttet! So wurden die Toggenburger überlistet und betrogen.
Aber Unrecht findt den Knecht! In stürmischen Nächten hört man oben auf der Beigeinsattelung heute noch ein unheimliches Jauchzen, und alles Volk weiss, was dieses zu bedeuten hat.
H. Brunner.
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 426, S. 252
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.