Im Mai 1865 gingen zwei Basen Paggi von Braggio nach Roveredo auf den Markt. Jede kaufte ein Schweinchen, das in Schrift und Druck stets mit der vorangehenden Verwahrung »salva venia« eingeführt ist. Aber die Eine dieser Basen hatte für ihr Tierlein dreissig Rappen mehr bezahlt als die Andere, und war stolz auf diesen Mehrwert ihres Borstenviehes.
In Arvigo kehrten sie ein, und die beiden Oui, Oui-Schreier wurden unterdess in einem Stalle beherbergt. - In bestem Einvernehmen gingen sie mit ihrem Erwerbe in der Dunkelheit heim, nach Braggio.
Aber am andern Morgen entbrannte die Identitäts-Frage, indem Jede das teurere Schweinchen als das Ihrige ansprach. Vermittlung des Friedensrichters blieb erfolglos, und der wichtige Handel kam vor's Kreisgericht, bei welchem an 50 Zeugen vernommen wurden. Vom Urteile des Kreisgerichtes wurde an das Bezirksgericht appelliert, und erst im Dezember beendigte das Urteil in zweiter Instanz den Prozess, so dass jede der beiden Basen nunmehr ganz genau wusste, welches Schwein das Ihrige war.
Die Prozesskosten waren indessen auf nur 2,400 Franken angelaufen, und in der Ausgleichung kam jede der Basen ihr Recht auf 1,200 Franken zu stehen.
Ähnlich war vor einigen Jahren ein Streit zwischen zwei Gasthofbesitzern in Bernardino, um zwei Enten, in welchem die Parteien durch zwei berühmte Advokaten aus dem benachbarten Tessin vertreten wurden. Auch hier bedurfte es nicht nur mancher Zeugen, sondern auch vieler Experten, um die Herkunft der Enten feststellen zu können; denn die Italiener mit ihrem feinen Gehöre wissen, dass das »Qua, qua« nicht von allen Enten gleich ausgesprochen wird.
Der Prozess wurde endlich noch verglichen, aber die Herren Ligitanten hatten in die Summe von Franken 1000 Gerichtskosten sich zu teilen.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.