Durch Sapün-Dörfli oberhalb Langwies ging einst ein Mann mit einem der schönsten seiner Rinder bergan, als ein altes Weiblein zu ihm her trippelte, das Rind anschaute, und demselben mit den Worten: »Das ist doch en' hübschi Mähni« mit der rechten Hand über den Rücken strich. - Dann ging sie schnellen Schrittes weg.
Als der Mann bei den Unter-Gädinen das Rind in den Stall tat, bemerkte er, dass Dasselbe krank war.
Da nun in der Gegend schon mehr Derartiges ihm oder Andern begegnet war, erkannte er sogleich, dass das arme Rind verhext sei, und das einzig und allein durch das Weiblein. Er holte vom »Gemach« (Dachraum, Dachkammer) ofengedörrtes Reckholder- (Wachholder-) Holz, und eine Handvoll Allermannsharnisch-Wurzeln, machte dann unter dem Bauche des Rindes ein Feuer an, dass die Flammen rechts und links emporschlugen, streute das Reckholder-Holz und die Wurzeln ins Feuer, - kaum hatte er Das getan, so trat das gleiche alte Weiblein unter die Stalltüre, und bat gar erbärmlich, dem armen Tiere nicht solche Qualen anzutun, das helfe Demselben doch nicht. Der Mann aber machte noch mehr Feuer, bis dass er sah, dass das Weiblein die grösste Qual litt, während das Rind vom Feuer gar nichts spürte. Die Hexe (eine Solche war nämlich das Weiblein) bekannte nun dem Mann Vieles, das sie »angestellt« (verübt) hatte. Er aber übte für dieses Mal Gnade; bevor er jedoch sie losliess, musste sie das Rind wieder gesund machen. Sie tat dies, indem sie mit der linken Hand den Rücken des Tieres »widerhaar« (dem Kopfe zu) strich. - Zudem musste sie ihm versprechen, ihn und sein Vieh künftig in Ruhe zu lassen.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.