Zwischen Cernez und Cierfs trifft man, mitten auf dem Ofen-Passe, ein altes Wirtshaus, welches schon mehrere Jahrhunderte dort stehen soll. In diesem Wirtshause wucherte in alten Zeiten ein gewissenloser, geiziger Wirt, der besonders durch Fälschung und Verdünnung des Weines argen Frevel übte.
Alle Diejenigen, welche nach ihm diese Wirtschaft betrieben, haben den Weinfälscher gesehen und genugsam beobachtet, wie Derselbe hantierte, als trage er Wasser in den Keller, und schütte Solches in ein leeres Fass, das aber nie voll werden konnte, weil Alles nur Schein war. - Aber klopfen hörte man ihn ganze Nächte hindurch, als wolle er sich von dem Bestand des Getränkes überzeugen. Man sah ihn von einem Fass zum Andern schleichen, und die Spunten öffnen, und wiederholt klopfen. Dann stolperte er grässlich fluchend, laut polternd die Treppe herauf, mit seinen Holzschuhen einen Höllenlärm machend, trat dann in die Stube, schaute erschrecklich um sich, ging zur Uhr hin, und zog Diese regelmässig auf. War er, im Keller beschäftigt, mit Schurzfell angetan und in Hemdärmeln, so war er beim Eintritte in die Stube nunmehr in weitem Nachtrocke eingehüllt, eine weisse Nachtkappe auf dem struppigen Kopfe.
So kam er gar oft, und wurde durch sein Poltern und Besuche machen in der Stube immer die Qual des Wirtes und der Gäste, und war durch kein Mittel zu vertreiben, bis dass Simi (Simon) Gruber, der bekannte, riesenstarke Bärenjäger (der erst vor wenigen Jahren starb), alle alten Türen im Hause durch neue ersetzen liess. Das konnte nun der leidige Polterer nicht leiden und vertragen, zog aus, und ist seitdem nie mehr erschienen.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.