Ein »Frohnfastenkind« ritt einst am späten Abende vom Dorfe Grüsch seiner Heimat Malans zu. Nahe der »dunkeln Buche«, die einsam am untern Strassenborde dicht am steinigen Ufer der schäumenden Lanquart stand, wollte der Gaul nicht vorbei. Erst nach längerem Antreiben schlich er sich ängstlich am obern Strassenborde hin, bis er an der Buche vorüber war, schlug dann plötzlich einen rasenden Galopp an, so dass der zügellos Reitende erstlich kaum des Daseins sich bewusst wurde. Doch vermochte er nach Kurzem sich zu fassen, blickte verstohlen hinter sich und gewahrte, wie ein grosser, dunkler Mann mit »feurigen Augen« von der Buche her ihm folgte und drohte. Der Gaul verharrte indes im Galoppe bis zur Malanser-Säge; erst dort nahm er einen gemässigten Lauf an. Aber da, wo es heisst zum »Ecken-Bovel«, verfiel er wieder in die Muckerei, wie bei der »dunkeln Buche«, bis dass er, die Stauden streifend, und kaum beim verrufenen Ort vorbei, abermals grösster Eile sich befliss. Wiederum blickte der Reiter ängstlich um sich und erkannte den nämlichen schwarzen Mann, der ihm abermals rasend schnell folgte und wieder drohte. Erst bei der» Rüfe« blieb der Unheimliche zurück, und schweisstriefend langten Ross und Reiter in Malans an. -
Dieser schwarze Mann soll bei Lebzeiten zwei Morde begangen haben, den Einen bei der »dunkeln Buche«, den Andern beim »Ecken-Bovel«; er muss zur Sühne seiner Untat umgehen, und kann nur von einem Sonntagskinde erlöst werden, das ihm ohne Zagen entgegengeht, nicht aber flieht.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.