Jene Felsen, welche, zehn Minuten unterhalb Bergün, so still und stolz über die Fluten der Albula sich erheben, werden der »Bergüner-Stein« genannt. Hunderte von Reisenden durchwandern das durchaus alpine Thai der Albula größtenteils nur, um diesen Bergüner-Stein zu sehen, der an Naturschönheit mit der Viamala-, Schyn- und Pfäfferser-Schlucht sich messen kann.
Die Natur entfaltet hier eine schauerliche Grossartigkeit. Aber an die Romantik knüpft sich leider auch die Fakta einer traurigen Begebenheit:
Im Jahre 1572 hatte ein Bursche seiner Geliebten Treue geschworen und die Hochzeit war auf kommenden Frühling angesetzt. Der Bräutigam ward aber seiner Braut überdrüssig und sucht sich ihrer zu entledigen; obwohl sie von ihm ein Pfand der Liebe trug; das betrogene Mädchen wollte nicht von ihm lassen, und so brachte er den Plan zur Ausführung durch Gewalt ihrer los zu werden. Er beredete sie einstens, mit ihm nach Villasur zu gehen, und beim »Stein« angekommen, dort wo der Felsen so schauerlich über das tief liegende Bett der Albula überhängt und die zerrissensten Riffe zeigt, dort stiess er sie über den Rand hinab.
Das ist Tatsache!
Seitdem vernehme man zuweilen Nachts, unterhalb des Felsens, selbst auf der Strasse, ein fürchterliches Weibergeschrei, welches mit dem ersten Schlage der zwölften Stunde aber aufhöre.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.