Einst waren in Fetan zwei Mädchen, unzertrennliche Freundinnen. Die kamen eines Abends wieder zusammen, und die Eine, die eine Hexe war, erzählte der Andern, wie sie die vergangene Nacht in lustiger Gesellschaft es so schön gehabt und wacker getanzt habe. Die andere, auch ein quecksilbernes Ding, begehrte zu wissen, wann wieder der Tanz abgehalten werde, und ob sie auch mit dürfe. » Jawohl, aber Niemand darfs wissen.« Am bestimmten Abende kam nun die Hexe, um die andere abzuholen, nahm diese mit sich fort und führte sie in ihre Küche. Dort hiess sie sie das nachmachen, was sie ihr vormache. Sie nahm ein schwarzes Pulver, rieb sich damit die Hände; die andre machte es auch so. Dann nahm die Hexe einen Stecken, gab auch der Gespielin einen solchen, und wies sie an, wie sie sich darauf zu setzen habe. - Auf einmal erhoben sich die Stöcke und mit ihnen die Mädchen in die Höhe, durch\'s Kamin, und flogen durch die Luft, bis sie sich plötzlich in einem prachtvollen, vergoldeten Saale befanden.
Dort waren viele weissgekleidete Herren und Damen, die fröhlich nach der Musik tanzten. Das war die Hexengesellschaft, die in diesem schönen Saale zum Tanze sich versammelt hatte. Die Hexe fing gleich an zu tanzen; die andere wagte es nicht, schaute aber zu. - Bei Tagesanbruch verschwand die ganze Gesellschaft, nur sie blieb zurück; sie konnte ihren Stecken nicht mehr finden, musste also bleiben, wo sie war. Aus dem schönen Saal war ein steiler, nackter Felsen geworden, auf dem sie allein stand. Vergebens schrie sie nach Hülfe; Niemand hörte sie, denn der Felsen stand in einer schrecklichen Einöde, in die gar selten ein Mensch sich wagte oder verirrte. Endlich nach zehn Tagen wurde sie von einem Jäger gesehen und gerettet. - Sie erzählte nun die ganze Geschichte, gab auch ihre Verführerin an, welche dann als Hexe verbrannt wurde.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.