Es war einst eine ganz arme Familie, die in einem Häuschen zur Miete wohnte. Der St. Martinstag im November, an dem sie den Hauszins hätten zahlen tollen, war bereits vorüber; aber sie hatten noch kein Geld.
Eines Tages war Tarock, ein etwas einfältiger Bursche von achtzehn Jahren, allein zu Hause geblieben und hatte sich auf der Ofenbank am Kaminfeuer ausgestreckt. Da hörte er plötzlich an die Haustür klopfen, und der Besitzer des Hauses trat herein.
«So, so, Tarock, was machst du Schönes?» fragte er den Jüngling.
«Mooh! Ich liege hier und schaue zu, wer heraufsteigt und wer hinuntergeht.»
«Und dein Vater, wo ist er hingegangen?»
«Mein Vater ist gegangen, ein Loch zu machen, um ein anderes damit zu verstopfen.» «Und deine Mutter?»
«Meine Mutter ist gegangen, das Brot der letzten Woche zu backen.»
«Und dein Bruder?»
«Mein Bruder ist auf die Jagd gegangen. Diejenigen, die er tötet, lässt er gehen, und diejenigen, die er nicht tötet, die bringt er mit nach Hause.»
«Und deine Schwester?»
«Meine Schwester ist in ihrem Schlafzimmer und weint über die schönen Stunden und das Glück des vergangenen Jahres.»
Verwundert über diese Reden schüttelte der Hausherr den Kopf, denn er konnte nicht verstehen, was diese rätselhaften Antworten zu bedeuten hatten.
Am folgenden Tag kam er wieder und sprach zu Tarock: «Höre, wenn du imstande bist, mir alles zu erklären, was du mir gestern gesagt hast, so schenk ich euch den Hauszins. Du sagtest mir, du hättest zugeschaut, wer heraufsteige und wer hinuntergehe.»
«Oh, das ist doch sonnenklar: ich schaute den Bohnen zu, wie sie beim Kochen im Kessel auf und niederstiegen.»
«Und dein Vater — sagtest du mir — sei ausgegangen, ein Loch zu machen, um ein anderes damit zu verstopfen.»
«Ja freilich, er ist herumgegangen im Dorf, um Geld zu entleihen, damit er euch den Hauszins zahlen kann.»
«Aber was soll das bedeuten, dass deine Mutter gegangen ist, das Brot von der letzten Woche zu backen?»
«Die letzte Woche hat sie bei unsern Nachbarn Brot entleihen müssen, und jetzt ist sie gegangen, Brot zu backen, um es den Leuten wieder zurückzugeben.»
«Aber wie ist es denn möglich, dass dein Bruder auf die Jagd gegangen ist und diejenigen, die er tötete, laufen Hess, während er jene, die er nicht erlegte, mit nach Hause brachte?»
«Ei, warum soll das nicht möglich sein? Er war in den Wald gegangen, und weil es ihn überall stach, zog er sein Hemd ab, das ganz voll Flöhe war und machte sich auf die Jagd, das Ungeziefer zu vernichten. Diejenigen, die er tötete, liess er gehen, und die andern, die er nicht erwischte, die brachte er mit nach Hause. Das ist doch ganz klar.»
«Das ist freilich nicht übel, Tarock. Aber sag mir noch, was ist mit deiner Schwester, dass sie in der Kammer droben die schönen Stunden und das Glück des vergangenen Jahres beweint?»
«Letztes Jahr hatte sie einen Verlobten, der brachte ihr allerlei Geschenke und Schmucksachen. Aber jetzt hat sie leider all ihr Glück verloren.»
«Ei, ei, das hast du brav gemacht, mein lieber Junge», sprach der Hausherr. «Du hast mir wirklich alles prächtig erklärt. Darum will ich nun mein Versprechen auch halten. Für dieses Jahr ist also der Hauszins bereits bezahlt. Geh schnell, hole deinen Vater zurück und bring ihm diesen Empfangsschein für den Mietzins.»
Und damit ging der Hausherr fort, und Tarock war froh, dass er durch seine klugen Antworten für seine Eltern den Zins hatte verdienen können.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.