Einmal, zu der Zeit, als die Tiere noch sprechen konnten, lebte ein Falke. Er war mit den Hühnern eng befreundet.
Eines Tages nun musste die Glucke Kleider für ihre Küken nähen. Sie war gerade so schön am Nähen, da hat sie ihre Nadel verloren. Sie findet sie nicht mehr, soviel sie sich auch umschaut. Da sieht sie in der Luft den Falken vorbeifliegen.
«Oh, lieber Freund, kannst du mir einen Gefallen tun? Bitte, tu mir doch einen Gefallen!»
«Was brauchst du, Freundin?»
«Ich habe meine Nadel verloren und brauche dringend eine, um die Kleider für meine Kinderchen fertig zu nähen.»
«Gut, ich leih dir meine gerne. In drei Tagen komme ich wieder zurück, um sie abzuholen. Und wehe, wenn du sie dann nicht hast!»
«Sei unbesorgt!»
Und die arme Glucke machte sich wieder ans Nähen. Sie nutzte die Gelegenheit, um für alle ihre zwölf Küken ein schönes Kleidchen zu nähen. Nur verlor sie wieder die Nadel und konnte sie nicht mehr finden, soviel sie sich auch umschaute.
Da kam nach drei Tagen der Falke.
«Also du, Schneiderin, hast du alles fertig genäht?»
«Oh, lieber Falke, ich bin verzweifelt!»
«Warum denn?»
«Weil ich die Nadel verloren habe. Ich habe sie schon wieder verloren!» Und sie begann laut zu weinen.
«Du musst mir meine Nadel geben, such sie!»
Sie suchte und suchte, die Nadel aber fand sie nicht. Und wenn heute Küken oder Hühner im Hühnerhof sind, scharren sie die ganze Zeit. Sie sind immer noch dabei, die Nadel des Falken zu suchen.
Dieses Märchen aus Brusino stellt uns Frau Pia Todorovic Redaelli liebenswürdigerweise aus ihrem Buch "Märchen aus dem Tessin", Limmat Verlag Zürich 2006 zur Verfügung.
Das Buch ist im Handel erhältlich - ISBN 3 85791 501 3
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.