Eine Frau auf Camana war just am Käsen und hatte gerade den Kessel mit der Milch über dem Feuer, und die Milch fing an heiß zu werden. Da flog plötzlich ein Leder-käpplein in die Küche hinein. Sie trat unter die Haustüre, um zu sehen, wer da sei, und da sass ein Fänggenmannli vor der Türe; das bat sie um einen Trunk Milch, aber doch ja geschwinde, es habe noch weit heim, und es drohe ein furchtbares Gewitter. Die Frau lachte und wollte es nicht glauben; der Himmel war klar und die Familie der Frau vollauf mit der Heuernte beschäftigt. Gleichwohl schöpfte sie Milch aus dem Kessel und brachte sie dem Mannli; das sagte aber: »Ei Frau, gebt mir doch ein grösseres Gebsi, damit die Milch geschwinder kühl wird.« Die Frau willfahrte und lachte, als sie sah, wie das Mannli in grösster Eile die Milch in dem grössern Geschirr umschwenkte und wie es hastig hinein blies, damit sie schneller erkalte, wie es sie nach und nach in gierigen Zügen hinunterschlürfte und dann in grösster Eile davon und den Berg hinan lief. Bald hätte es auf der eiligen Flucht sein Lederkäpplein vergessen, wenn die Frau es ihm nicht nachgeworfen hätte. – Die Frau käsete vorwärts, aber schon nach einigen Minuten zog eine schwere Gewitterwolke über das Gletscherbachhorn herüber, und bald fing es an zu blitzen und zu donnern und über der Familie der Frau und ihr Heu in Strömen zu regnen.
Quelle: Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 27-28.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.