Auf dem Tannwald am Fuss der Burg Landskron war ein Bauer mit Pflügen beschäftigt, als mitten in der Arbeit die Pferde durchbrannten. Schäumend und schnaubend rasten sie über den Acker dem Stalle zu. Nur mit Fluchen und Peitschenknallen liessen sie sich ein zweites Mal dazu bewegen, den Pflug durch den Acker zu ziehen. Als sie wieder dorthin kamen, wo sie durchgebrannt waren, bäumten sie sich auf, wieherten und waren nicht über jene Stelle des Ackers zu bringen. Schliesslich wurde ein Pater aus dem nahen Kloster geholt, der sogleich dieser seltsamen Sache auf den Grund sah. An jener Stelle, wo die Pferde immer wieder scheuten, ragte eine menschliche Hand aus der Ackerfurche heraus. Schliesslich wurde ein Leichnam freigelegt, so unverwest und frisch, als hätte er soeben noch gelebt. Der Tote war in ein einfaches Gewand gekleidet und hielt einen Rosenkranz in der ausgestreckten Hand. Niemand erinnerte sich an ein Unglück oder an ein Verbrechen.
So wurde der «heilig Lyb» an der nämlichen Stelle wieder begraben, wo er gefunden worden war. Unsere Grossmutter selbst hat noch zu dem Rosenbusch Wasser hinauf getragen, den jener Bauer auf den Grabhügel gepflanzt hatte. Später muss der geheimnisvolle Tote wohl gestohlen worden sein. Denn heute werden die Pferde nicht mehr scheu, wenn sie droben auf dem Tannwald den Pflug durch den Acker ziehen, über jene Stelle, wo einst der «heilig Lyb» gefunden worden ist.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch