Über zwei in Wangen verhaftete Alraunengräber übermittelte der Vogt auf Bechburg im Jahre 1772 dem Kleinen Rat nach Solothurn folgenden Untersuchungsbericht:
«In Gegenwart des hochgeachteten wohledel geborenen strengen wohlweisen Herren Hauptmann Urs Victor Joseph Benedict Franz Schwaller des grossen Rats löbl. statt Solothurn und dieserzeit wohlregierenden Land Vogts auf Bächburg, seyendt Frantz Carle Frey (gen. Kesslerfranzli) und Jacob Studer von Wangen wegen dem allarunnen graben gütlichen examiniert worden wie folgt in Haft.
Frantz Carle Frey, von Wangen, dreissigjährig, erklärt, er sei in Haft, weil er eine Allarunnen gegraben zu obrist im Feld gegen den Bornn uffen unter einer Haselstuden. Mein Camerad hat gesagt er wolle derselben gelt unterlegen, was er unterlege seye innert 24 Stunden noch so vill. Ja sie seye wie ein Krott und seyen unter einer Haselstuden wo Distell tragen. Joggeli Studer, der jung Wagner von Wangen und seine Schwester, welche aber nicht gegraben, seien dabei gewesen. Joggeli Studer hat mir Anleitung gegeben zum allarunnen graben. Da ich am Abend vor dem letzten Weynachtfeyertag von Oeckhingen, allwo ich gearbeitet, wiederum nach Haus gekommen, ist Joggeli Studer in meinem Hauss gewesen und hat mir gesagt, er wolle eine Allarunnen graben, er wüsse schon wo eine seye, er bekomm vill Gelt und er müsse alsdann bey ihnen Knecht seyn. Habe ihn gefragt ob es mir nichts an meiner Seelen schade, worauf er mir gesagt nein, es schadet dir nichts, bis die Allarunne in der dritte Hand ist, der alsdann dieselbe bekommt, nimmt ihn der Teufel. Am letzten Weynacht Freytag nach dem wir zu Olten bey den Capucineren Mess gehört seyend wir nacher Haus gegange und haben zu morgen gegessen, worauf wir uns gegen neun Uhren auf des Ort begeben. Wir haben bis gegen Mittag herum alldorten gegraben. Wir haben während dem Graben miteinander gezählt, das wann wir eine finden, er wolle mir guten Lohn geben. Weylen drey Männer zu uns gekommen, haben wir nicht länger gegraben, es waren Joseph Hussi der Würt, von Wangen, sein Hausknecht mit Namen Sephli, und sein Werkmann. Der Würth habe sehr stark geschmelt, worum wir das tuen, das seye nicht recht, besonders an einem solchen Tag, wir sollen hören, worauf wir davon gangen und haben gedenk es seye gefält.
Jakob Studer, 40 Jahre alt: Ich bin hier im Schloss gefangen, weilen ich eine Alrune haben graben wollen im Zelgli-Hag, unten an dem Born, allwo er ein Loch gegraben. Es war am letzten Wienacht-Firtag während dem Gottesdienst. Ich bin vorausgegangen um dieselben zu graben. Ich habe das Loch gegraben, weilen ich allenthalben geblagt und ich mich habe austreiben wollen. Da habe ich Geld gesucht, damit ich meine Schulden bezahlen könnte. Vor ungefähr 25 Jahren hat mir ein alter Mann, welcher schon vor 15 Jahren gestorben, da ich mit ihm in das Holze, um zu holzen, bei dieser Studen vorbei gegangen, gesagt, dass da unter dieser Studen eine Alrune sei, wenn sie einer wollte füren graben. Er erklärte mir eine Alarunne seye denk entweders eine Krott oder eine Ratte. Beim Graben sagte mir der Würth allerhand Wüstens, darum hörten wir mit dem Graben auf. Die Ursache, dass er nichts gefunden, sei, weil er allweg am Morgen das St. Johannes-Evangelium gebetet. Weil mich der Teufel dahin gebracht und gestipft hat, habe ich nach Allarunen gegraben, freilich wusste ich es, dass es verboten war.»
Doch weder die 14 Tage Schellenwerk, noch das Tragen derVisitenkarte» auf dem Rücken, taugten beim Kessler-Franzli als Abschreckungsmittel. Der Kleine Rat fasste nämlich im Jahre 1794 folgenden Beschluss: «Franz Frey von Wangen, der Kessler-Franzli, wollte verschiedene Personen zum Schatzgraben veranlassen, und hat ihnen ein geschriebenes Büchlein angewiesen. Ist in ein Gefängnis zu setzen, und das Büchlein ist ihm abzunehmen.»
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch