In einem Hause in Lungern trieb ein schreckliches Gespenst sein Wesen. Niemand konnte mehr das Haus bewohnen; selbst den Nachbarn ward es unheimlich. Viele Geistliche versuchten Beschwörungen; keine aber war kräftig und wirksam genug.
Zu Sarnen lebte damals als Pfarrer ein äusserst frommer Mann, der Kammerer Jos. Weniger (1731—1749). Auch der wurde angegangen, das Ungetüm zu bannen. Ungern ging er darauf ein; endlich gab er den Bitten der Lungerer nach. „Aber," sprach er, „es wird mir das Leben kosten."
Wirklich ging er nach Lungern in das verrufene Haus; seinen Beschwörungen musste das Gespenst weichen, es ward in enge Schranken festgebannt. Als der Pfarrer aus dem Hause trat, sprach er zu den Umstehenden: „Es ist mir gelungen, doch glaubt mir, in kurzem werde ich sterben." Was er verkündet trat ein. Bevor er noch die Gemeinde Lungern verlassen, war er eine Leiche. Todt brachte man ihn nach Sarnen zurück, von wo er gesund weggegangen.
In der Alp Breitenfeld in Lungern hatte man seit Jahren viel Unglück unter dem Vieh. Es wurden verschiedene Mittel angewendet, allein ohne den gewünschten Erfolg. Endlich schrieb man nach Rom. Der Papst gewährte der Gemeinde Lungern einen vollkommenen Ablass, unter der Bedingung, dass man beichten und kommunizieren solle, drei Tage faste und reichlich Almosen spende. Um diesen Ablass zu verkünden, verreiste Pfarrer Karl Jos. Weniger von Sarnen den 19. Sept. 1746 nach Lungern.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch