In der Zeit, als die grossen Holzverkäufe in Giswil vor sich gingen, fiel auch der schöne Lohmettlen-Wald dem damaligen Abholzungssystem zum Opfer. Viele junge kräftige Männer waren Sommer und Winter damit beschäftigt, die prächtigen Tannen reisefertig zu machen nach fremden fernen Ländern. Kein Schneesturm konnte sie von dieser Arbeit abhalten, war doch die Holzerei der einzige Verdienst in damaliger Zeit und zudem drängte der Akkord.
Einstens, mitten im Winter, zwei Tage vor Weihnachten, als diese Holzhacker in ihre Hackerhütte mittags einkehrten, um ihr bescheidenes Mittagsmahl zu kochen, hörten und sahen sie ein ganzes Sennten Vieh mit Glocken und Schellen vom Sattel Herkommen. Zum vornherein überzeugt, dass es unmöglich sei bei dieser Jahreszeit und bei 4 Fuss hohem Schnee mit Vieh zu fahren, sahen sie dem Zuge recht lange nach, bis er auf einmal bei der Dersmattlücke spurlos verschwand. Stumm und ratlos standen die rauen Arbeiter vor diesem unerklärlichen Ereignis. Es gab viel Gerede in der Gemeinde und im ganzen Lande und niemand wusste so recht dieses sonderbare Ereignis zu deuten.
Im Sammer darauf entstand eine furchtbare Viehseuche auf den Giswiler Alpen. Manches arme Bäuerlein wurde vollständig an den Bettelstab gebracht und die schönsten Kühe und Rinder fielen massenhaft dem Wasenmeister zum Opfer. Gar mancher Seufzer stieg zum Himmel und manches Opfer zu Ehren des hl. Wendelin wurde gebracht, bis sich endlich die Seuche nach und nach legte. Allgemein schien man nun hinreichend aufgeklärt über das ungewohnte Viehtreiben vom verflossenen Winter.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch