In der guten alten Zeit kam Satanas nicht nur die Seelen der Selbstmörder zu holen, nein: er holte lebende Personen mit Leib und Seele. Etwa eine Viertelstunde von meiner Geburtsstätte entfernt, lebte ein ruchloser Bauer. Grobe Reden, Fluchen und Schwören war seine Sprache, sein Leibspruch war, der T...soll mich holen, wenn es nicht so ist. Seine Nachbarn verwiesen es ihm ernstlich, er lachte roh. In einer Nacht besuchte er wie gewöhnlich seine Nachbarn (in unserer Sprache heisst es zur Oberen gehn). Heute trieb ers am ärgsten. Als ihn die andern zur Ordnung wiesen, lachte er höhnisch: „Ihr seid halt noch Schulbuben und fürchtet den Hörnlemann; ich fürcht ihn nicht, mag er nur kommen, so weiss ich wie er aussieht“. Die Bauern entsetzten sich ob dieser Rede. Man ging frühzeitig nach Hause. Eine kleine Strecke gingen sie zusammen, dann teilte sich der Weg. Kaum hatte der Lästerer die andern verlassen, so hörten sie von jener Seite ein entsetzliches Geschrei. Erschrocken und erstaunt, was es doch sei, eilten sie dem Geschrei nach, fanden aber nichts als einen Schuh von dem Nachbar; in der Luft aber hörte man das höllische Gelächter des Bösen und das schauerliche Geheul des Bauern. Bestürzt eilten die Männer zu seinem Weibe und erzählten was geschehen; sie glaubte ihnen nicht, liess Männer aufbieten, um nach dem Verschwundenen zu suchen, man fand aber keine Spur. Und bis auf den heutigen Tag hat man von ihm nichts gehört und gesehen. Der Schuh wurde von der Familie noch lange aufbewahrt.
Quelle: Dr. J. Heierli, Sagen aus dem Kanton Appenzell. Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Band 10,1906.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch